Auf den Spuren des Ur-Kakaos - Teil 1

Stellen Sie sich einmal vor, alle Pinot Noir-Weinreben dieser Welt wären erkrankt oder mit anderen Sorten gekreuzt worden, bis auf wenige Exemplare in einem entlegenen Ort in Burgund – genau so steht es um „Nacional“ Kakao.

Gemeint ist nicht der Nacional-Kakao, den Sie im gehobenen Einzelhandel oder im Internet kaufen können. Die Rede ist von 100% reinem Nacional-Ur-Kakao. Dieser galt bis vor zehn Jahren noch als ausgestorben. 2013 wurden in einem entlegenen Tal in Ecuador wenige überlebende Ur-Kakao-Bäume gefunden.

Dass es sich auch wirklich um reinen Nacional-Kakao handelt, bestätigte ein DNA-Test, der mit Unterstützung der „Heirloom Cacao Preservation Fund“ durchgeführt werden konnte.

Vor diesem Test konnten gerade einmal 15 Kakaobäume dieser Ur-Gattung nachgewiesen werden, von denen jeder am Ende seiner Lebenszeit angekommen war.

Aus Angst, dass diese 5.300 Jahre alte genetische Abstammungslinie aussterben könnte, wurden von neun Bäumen Triebe entnommen und 189 Setzlinge gepflanzt. Aktuell wachsen die kleinen Ur-Kakao-Sprösslinge in einem geschützten Waldgebiet in Ecuador. Innerhalb von drei Jahren werden sie zu kleinen Bäumen herangewachsen sein, die genügend Setzlinge produzieren, um jährlich über 5.000 reine Nacional-Ur-Kakao-Bäume hervorzubringen. 

Die Geschichte über die Erhaltung einer historischen Kakao-Sorte in den Bergen von Ecuador.


Nacional ist die älteste Kakaosorte der Welt. Jahrzehntelang wurde sie von Chocolatiers für Ihr herrliches Aroma und den signifikanten Geschmack gepriesen. Die Geschichte dieses Kakaos beginnt vor über 5.300 Jahren und endete beinahe 2009, als er als ausgestorben galt.

Hauptgrund für das Verschwinden der Nacional-Kakaobäume sind zwei Krankheiten, die in kurzer Abfolge in den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts auftraten. 1917 wurde an den Kakaobäumen der „Moniliophthroa roreri“, ein schädlicher Pilz entdeckt, der die Früchte faulen lässt. Rasch darauf, im Jahr 1921, folgte der sogenannte Hexenbesen, ebenfalls ein Pilz, der schädliche Verwachsungen in den Bäumen entstehen lässt.

Viele Kakaobäume starben an den Folgen dieser Krankheiten, sodass die Kakaoernte in den 20er Jahren erheblich abnahm. Vor dem schädlichen Befall waren nahezu alle Kakaobäume entlang der ecuadorianischen Küste reine Nacional-Kakaobäume. Seitdem wurden andere einheimische Kakaosorten in den Verkehr gebracht und die Zeit der Kreuzungen begann.

1. Die Entdeckung

Im Jahr 2013 traten der Gründer von „To’ak Chocolate“ Carl Schweizer und Mitbegründer Jerry Toth in Kontakt mit Servio Pachard, einem Kakaobauern in vierter Generation und bekanntem Mann aus der biologischen Agrarforstwirtschaft in Ecuador.

Als die beiden Gründer ihm erzählten, dass sie beabsichtigen, die ältesten Kakaobäume der Welt zu finden, war Servio‘s Antwort: „Piedra de Plata“

Piedra de Plata ist ein Tal circa zwei Stunden stromaufwärts von Servios eigener Farm. Er erinnert sich, dass er als kleiner Junge mit seinem Vater einmal dorthin gegangen ist. Damals gab es noch keine Straßen, die in diese Region führten – nur mit einem Pferd oder einem Kanu kam man dorthin.

Zu dieser Zeit war die Region um Piedra de Plata noch eine gesetzlose Gegend, sodass die Leute bis in die 90er Jahre routinemäßig einen Revolver um die Hüfte trugen, so erinnert sich Servio. Eine weitere Sache, die er gut in Erinnerung behalten hat, sind die alten Kakaobäume, die er damals sah – das war vor über 30 Jahren.

Als Mitte der 90er Jahre auch Piedra de Plata ans Straßennetz angebunden wurde, waren Expeditionen in diese Region einfacher, von daher unternahm Servio in späteren Jahren noch weiter Trips dorthin, diesmal allerdings als Spezialist für Agrarkultur im Auftrag der örtlichen Regierung von Manabi, und auch dabei sah er wieder die Haine uralter Kakaobäume.

Piedra de Plata war also die Lösung für Carl Schweizers und Jerry Toth' Suche nach den ältesten Kakaobäumen der Welt.

Die Drei machten sich deshalb direkt am folgenden Tag auf die Reise. Vor Ort trafen sie sich mit einigen Kakaobauern, die ihnen ihre Bäume zeigten, von denen viele von deren Großvätern und Ur-Großvätern gepflanzt wurden. Eine beachtliche Anzahl dieser Bäume musste demzufolge in den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts gepflanzt worden sein, was wiederrum heißen musste, dass einige der Kakaobäume vor den Krankheiten von 1917 und 1921 gepflanzt worden sein mussten. Diesen Kakaobäumen war es also gelungen, die Epidemien zu überleben und Resistenzen zu entwickeln.

Unter den alten Bäumen mussten sich reine Nacional-Kakaobäume befinden, so nahm die Gruppe zumindest an, denn neben dem hohen Alter zeigten die Bäume grundlegende Anzeichen, die für reinen Nacional-Kakao sprechen. Die Anzeichen äußerten sich in Farbe und Form der Früchte sowie im Aussehen der Blüten und unterscheiden sich wie folgt:

Gelbe Schale, statt leicht rötlich oder rot; elliptisch geformt, statt länglich oder rundlich; eine abgeflachte Kegelspitze, statt spitz oder stumpf zulaufend; eine dürftige Verengung, statt keiner oder einer ausgeprägten; und rote Blütenstängel, statt pigmentierter.

Weil bis dato jedoch nichts bewiesen war, wurden 2015 bei 47 Kakaobäumen DNA-Tests durchgeführt, die bei der Aufklärung helfen sollten. Die Tests wurden in Zusammenarbeit mit der „Heirloom Cacao Preservation Fund“ durchgeführt und die Blattproben dafür wurden unter Aufsicht von Freddy Amores, dem Direktor der Kakao-Forschung von Ecuadors führendem Institut für Agrarkultur (INIAP), entnommen. Die darauffolgenden genetischen Analysen wurden von Dr. Lyndel Meinhardt und Dr. Dapeng Zhang vom ARS (Agricultural Research Service) in Maryland in den USA durchgeführt.

Bevor die Ergebnisse zusammengetragen worden waren, wurde die Gruppe um Carl Schweizer und Jerry Toth von zahlreichen Leuten aus der Kakao-Industrie freundlich darauf hingewiesen, dass sie wahrscheinlich keinen reinen Nacional-Kakao finden werden, weder in Piedra de Plata noch sonst irgendwo.

Dieser Aussage voraus ging ein flächendeckender DNA-Test aus dem Jahr 2009, bei dem die INIAP DNA-Proben von 11.000 Kakaobäumen aus ganz Ecuador sammelte, von denen gerade einmal sechs Bäume als 100% reine Nacional-Kakaobäume identifiziert werden konnten, was einer unglaublich geringen Anzahl von lediglich 0,0005% entspricht.

Abgesehen von diesen sechs Kakaobäumen, die auf zwei Farmen, La Gloria und Las Brisas, in Ecuador stehen, wurden noch wenige Exemplare in Nord Peru ausgemacht, nahe der ecuadorianischen Grenze. 

Von diesem Standpunkt aus wurde Nacional-Kakao als ausgestorben erklärt.

 

Lesen Sie hier den 2. Teil über die genetische Datenbank und Zukunftsvisionen von Nacional.

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