Auf den Spuren des Ur-Kakaos - Teil 2

Im ersten Teil dieser Geschichte berichteten wir Ihnen von der Entdeckung des „Nacional“-Ur-Kakaos, einer Kakaosorte, die bis vor Kurzem als ausgestorben galt. Durch genetische Tests konnten wenige Ur-Kakaobäume in einer Region in Ecuador ausgemacht werden.

Lesen Sie hier: Auf den Spuren des Ur-Kakaos Teil 1

2. Genetische Datenbank

Von den 47 Proben, die von Kakaobäumen aus Piedra de Plata in Ecuador genommen wurden, bei denen Bäume unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichen Eigenschaften analysiert wurden, nahm das Team um Carl Schweizer und Jerry Toth an, dass sich darunter 16 reine Nacional-Kakaobäume befinden könnten. Letztendlich stellte sich heraus, dass es sich bei neun dieser Bäume tatsächlich um reinen Nacional-Kakao handelte.

Sofort wurden die neun Kakaobäume mit einer Plakette und Markierungsfähnchen gekennzeichnet. Zudem wurde eine Konferenz mit den Kakaobauern aus Piedra de Plata einberufen, um die Sensation zu verkünden, und alle waren sich einig, dass diese Bäume um jeden Preis erhalten werden müssen.

Die größte Sorge war das Alter der Bäume. Bei 100-120 Jahren auf dem Buckel, steht jeder der neun Kakaobäume am Ende seiner Lebenszeit und kann theoretisch jedes Jahr sterben. Als dem Team erzählt wurde, dass die sechs Ur-Kakaobäume in La Gloria und Las Brisas gestorben seien, war klar, dass die Bäume aus Piedra de Plata die letzten in ganz Ecuador und vielleicht die letzten weltweit seien könnten.

Aus diesem Grund war der nächste und entscheidende Schritt, die Bäume zu vermehren, bevor sie sterben. Jerry Toth nahm sich sofort dieser Aufgabe an und sammelte Samen der Kakaobäume, welche er in die Baumschule des nahegelegenen ökologischen Reservoirs „Jama-Coaque“ transportierte, wo sie anschließend zum Keimen gebracht wurden. Als die Sprösslinge eine angemessene Größe erreicht hatten, pflanzte er 150 von ihnen in einem geschützten Waldstück – allerdings gibt es bei der Sache einen Haken.

Obwohl die Samen von reinen Nacional-Bäumen stammen, gibt es keine Garantie dafür, dass die Setzlinge ebenfalls zu reinen Nacional-Bäumen heranwachsen, weil sie im Freien bestäubt worden sind. Dementsprechend ist nur garantiert, dass der Mutterbaum rein-Nacional ist, von welchem Kakaobaum die Bestäubung kommt, lässt sich allerdings nicht bestimmen. Es bestand natürlich eine geringe Chance, dass der Kakao-Baum, von dem die Bestäubung stammt, ebenfalls 100% Nacional ist. Also wartete das Team auf die Tests, die diesmal mithilfe der „Texas State University“ gemacht wurden.

Eine andere und sicherere Methode besteht darin, kleine Triebe des reinen Mutterbaums zu entnehmen und diese an die Setzlinge anzupfropfen. Dies ist die einzige Methode, die sicherstellt, dass die Setzlinge genetisch identisch zum Mutterbaum sind.

Für dieses Unterfangen wurde die Hilfe von Paul Cedeno benötigt, einem Spezialisten für Agrarkultur von der ländlichen Universität Escuela Superior Politécnica de Manabí (ESPAM). Mit der Hilfe von Paul und seinem Team entnahmen sie Triebe von allen neun Ur-Kakaobäumen und pfropften diese an die Setzlinge. Insgesamt wurden von jedem Baum 21 Klone erschaffen. Das Ergebnis waren also 189 reine Nacional-Setzlinge, identisch zur DNA des Mutterbaums.

Ein weiterer Partner, der mit in das Projekt einbezogen wurde, ist Third Millennium Alliance (TMA), eine Non-Profit-Organisation, die Jerry Toth im Jahr 2007 mitbegründete, welche das „Jama-Coaque“-Reservoir leitet. Neben dem Waldstück, in dem Jerry Toth die 150 Sprösslinge pflanzte, bei denen die genetische Identität ungewiss ist, wurde ein weiteres Waldstück für die 189 „gepfropften“ Setzlinge angelegt, als eine Art genetische Datenbank – sie nennen es „Die Arche Noah“ des Nacional-Ur-Kakaos.

Innerhalb von drei Jahren werden die Setzlinge zu kleinen Kakaobäumen herangewachsen und genügend Triebe produzieren, damit jährlich über 5.000 reine Nacional-Setzlinge gepflanzt werden können. Die Setzlinge werden dann jedem lokalen Kakaobauern bereitgestellt, der dabei helfen möchte, diese historische Kakaoart vor dem Aussterben zu bewahren.

3. Zukunftsvisionen

Es sollte erwähnt werden, dass das Ziel von Carl Schweizer und Jerry Toth keineswegs ist, den Kakao in Ecuador vollständig durch reinen „Nacional“ zu ersetzen. Denn von der biologischen Seite betrachtet, ist das vermischen des genetischen Pools eine gute Sache. Schließlich fördert es in gewisser Weise die Anpassung an die sich entwickelnden ökologischen Belastungen, wie Krankheiten und klimatische Veränderungen. Letztlich ist die genetische Vielfalt das Symbol der Evolution, ohne die nicht ein einziger Kakaobaum existieren würde.

Selbst wenn es möglich wäre, einen Zustand wiederherzustellen, in dem es in ganz Ecuador nur reinen Nacional-Kakao gäbe, wäre es nicht ratsam, dies zu tun, denn dadurch wurde der ecuadorianische Kakao in den 1920er Jahren besonders anfällig für Krankheiten. Dazu kommt, dass es in Ecuador einen Mangel an Kakao geben würde, weil reiner Nacional-Kakao viermal weniger Ertrag abwirft als verbreitete Sorten wie CCN-51, welcher quasi das Gegenteil zu Nacional-Kakao ist. CCN-51 ist zwar sehr ertragreich, jedoch mangelt es ihm an aromatischen Eigenschaften. Wo reiner Nacional-Kakao kurz vor dem Untergang steht, ist CCN-51 die Quelle aller Massenschokoladen, die weltweit verzehrt werden.

Oberstes Ziel ist die Erhaltung dieser uralten Kakaosorte, und die genetische Datenbank ist ein geeigneter Platz, um die Setzlinge heranzuziehen und an die lokalen Bauern zu verteilen. Gegenwärtig wird angestrebt, ein Netzwerk aus genügend Kakaobauern aufzustellen, um reinen Nacional langfristig überlebensfähig zu machen, wobei das Team nicht davon ausgeht, dass Nacional-Kakao jemals über eine kleine Gemeinschaft von Züchtern hinausgehen wird.

Was die Lebensfähigkeit der nächsten Generation von reinen Nacional-Kakao anbelangt, so sei gesagt, dass die Ur-Bäume aus Piedra de Plata, von denen auch die Triebe für die Datenbank genommen wurden, allesamt Überlebende der Krankheiten sind, die in den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts ausgebrochen sind und sich über all die Jahre als resistent erwiesen haben. Die kleinen Gewächse gleichen ihren „Eltern“ also nur in der Theorie.

Zudem wäre da noch die Sache mit dem Ertrag. Wenn die kleinen Bäume erst einmal angefangen haben, Früchte zu tragen, wird das Team diejenigen vermehren, die den größten Ertrag erzeugen, in der Hoffnung, eine verhältnismäßig ertragreiche Sorte aus reinem Nacional-Kakao heranzuzüchten. Die Intention ist in keiner Weise, mit CCN-51 um eine hohe Produktivität zu wetteifern. Es geht vielmehr darum, den Kakaobauern in Ecuador einen Anreiz zu geben, Nacional-Kakao in Ihr Repertoire aufzunehmen.

Ein weiteres Ziel der beiden Gründer von "To'ak Chocolate" ist es, Schokolade zu machen. Dank der genetischen Datenbank ist das in den letzten Jahren erfolgreich gelungen.

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